3. Künzel und Erickson

In diesem Artikel soll gezeigt werden, daß Künzel von einem wichtigen Zweig der Hypnose, der sog. „Hypnose“ nach Erickson keinerlei Ahnung hat – sie aber dennoch verspottet.

Über Erickson selbst äußert Künzel sich relativ respektvoll. Dessen Erfolg beruhe auf Intuition, Spontanität usw. Anders spricht Künzel über die sog. Ericksonsche Hypnose, die er als ineffektives  „Märchenerzählen“ verhöhnt.

Die sog. „Ericksonsche Hypnose“ ist eine Form der Hypnose, die sich hauptsächlich durch indirekte, permissive, metaphorische und andere Techniken auszeichnet (anders als die „klassische Hypnose“, die eher direkt und autoritär auftritt). Milton Erickson selbst, ein amerikanischer Psychiater, auf den diese Innovationen zurückgehen, nutzte übrigens sowohl klassische wie „ericksonsche“ Methoden. Auch lag Ericksons Fokus ohnehin eher auf der komplexen Dynamik des Geschehens als auf einzelnen Techniken.

Es wurden jedoch eine Hypnose-Skala im Ericksonschen Stile mit indirekten und permissven Suggestionen entwickelt, die sog. „Alman-Wexler-Indirect Hypnotic-Susceptibility-Scale. Auf diese Weise lassen sich klassische und eine bestimmte Art der „ericksonchen“ Hypnose im Hinblick auf „Tiefe“ (Suggestibilität) vergleichen.

Und entsprechende Vergleiche wurden in der Tat gemacht. Die Ergebnisse entsprechender Meta-Untersuchungen sind eindeutig: Indirekt-permissive und klassische Hypnose sind hinsichtlich der erzielten Suggestibilität gleich, wobei manche Probanden eher von der einen und andere eher von der anderen Vorgehensweise profitieren. Siehe etwa HIER und HIER. (Wohlgemerkt, es geht hier um „Tiefe“ im Sinne von Suggestibilität, nicht einmal um klinische Wirksamkeit.)

Herr Künzel würde vielleicht sagen, daß all diese Studien von parteischen Erickson-Anhängern durchgeführt wurden, aber das ist Unsinn. Einige Untersuchungen stammen von eher klassisch orientierten Forschern. Bevor ich mich mit aber näher Herrn Künzel beschäftige, will ich einige Konzessionen machen:

– Ericksonsche Hypnose ist ein sehr weiter Begriff. Es werden auch sehr informelle Methoden darunter verstanden, die tatsächlich nicht auf eine „tiefe Trance“ abzielen. (Dies hat aber nicht unbedingt etwas mit der klinischen Wirksamkeit zu tun!)

– Auch auf Seiten der „Ericksonianer“ gibt es einige, die glauben, die „Wahrheit“ für sich gepachtet zu haben und (ganz unericksonianisch übrigens) die klassische Hypnose ablehnen.

– Oft wird in der Ericksonschen Hypnose wenig wert auf „Tiefe“ gelegt. Es ist dann oft auch nicht üblich, klassische Suggestivphänomene zu induzieren, obwohl Erickson genau das gerne gemacht hat. (Daraus  folgt natürlich nicht, daß dies nicht möglich wäre.)

Dies vorausgeschickt können wir uns nun mit Künzel befassen, der kein gutes Haar an der sog. „modernen Hypnose nach Erickson“ läßt. So heißt es bei Künzel, daß Ericksonsche und klassische Hypnose nur die Bezeichnung „Hypnose“ gemein haben, inhaltlich aber völlig unterschiedlich seien.

„Klevere Geschäftsleute vermarkteten seinen Namen und erfanden eine ‚Erickson-Technik‘, die man insbesondere in Deutschland nun als ‚moderne Hypnose‘ anpreist. Das [sic!] es sich hierbei gar nicht um das handelt, was James Braid als ‚Hypnose‘ benannt hat, kann natürlich niemand erkennen, der keinen direkten Vergleich hat. So kann man klassische Hypnosetechniken sehr schnell erlernen, während die ‚modernen‘ Techniken unglaublich kompliziert sind. Daraus folgen hohe Geldeinnahmen bei der Ausbildung und da auch der Effekt beim Patienten im Gegensatz zur klassischen Technik extrem eingeschränkt ist, hohe Ausgaben für die Patienten, die häufig ein paar teure Märchenstunden als Therapie verkauft bekommen…..Während mittels klassischer ‚autoritärer‘ Hypnose das Unterbewusstsein direkt angesprochen wird und auch direkt befragt werden kann, versuchen die Mediziner heutzutage mit Fingerbewegungen Ja und Nein-Antworten zu erhalten, bzw. anderweitig das Bewusstsein zu überlisten um das Unterbewusstsein zu erreichen. Diese Techniken nennen Werbestrategen z.B. ‚Manipulation‘.“ Quelle

In seinem Buch „Schlaf!“ benutzt Künzel ausdrücklich nicht den Befgriff „Hypnose“ für Ericksonsche Techniken, „da diese Bezeichnung [Hypnose] im ursprünglichen Zusammenhang nichts mit den heute häufig in der Medizin verwendeten Techniken zu tun hat“.

Und daß „tiefe Trance“ sich nicht durch Ericksonsche Hypnose erzielen lasse, steht für Künzel ohnehin fest (siehe eine beliebige der angegebenen Quellen). Es ließe sich noch viel aufführen und zitieren, aber belassen wir es dabei.

Künzel ist also überzeugt, daß „Ericksonsche Hypnose“ und klassische Hypnose zwei radikal verschiedene Dinge sind, die höchstens den Namen gemein haben; daß Ericksonsche Hypnose überhaupt keine Hypnose im eigentlichen Sinne sei und keine „tiefe Trance“ bewirken könne; daß Ericksonscher und klassischer Hypnose völlig verschiedene Wirkmechanismen zugrundeliegen und daß die Ericksonsche Hypnose auch als therapeutische Behandlungsmethode äußerst ineffektiv ist, was den geldgierigen Ärzten jedoch gerade recht kommt.

Daß das alles hochgradig abstrus ist und Künzel hier übrigens auch fundamentale Mißverständnisse hinsichtlich des menschlichen Bewußtseins und der Funktionsweise der Hypnose erkennen läßt, braucht wohl genau so wenig betont zu werden wie der Umstand, daß Künzels Thesen allein aus kruder Spekulation bar jeder erfahrungemäßigen oder empirischen Fundierung bestehen.

Der Leser mag sich an dieser Stelle jedoch fragen, woher Künzel das alles, was er so behauptet, denn wissen will. Jeder, der sich etwas näher mit seinen zahlreichen Auslassungen zu Erickson auf seiner Seite, in seinem Buch oder in seinem Forum befaßt, wird zu dem Eindruck gelangen, daß Künzel rein gar nichts über Ericksonsche Hypnose weiß; daß er niemals einen Text von Erickson gelesen hat; daß er nicht einmal einen Text über Ericksonschen Hypnose gelesen hat; daß er keinerlei Erfahrung in Therapie und Coaching hat, und daß er erst recht keinerlei Erfahrung mit Ericksonscher Hypnose hat.

Selbst Künzel hat meines Wissens niemals behauptet, auch nur ein einziges Buch von Erickson gelesen oder gar irgendwelche entsprechenden Erfahrungen gesammelt zu haben. Und dieses vollständige Fehlen von Wissen  wird aus seinen Kommentaren über Erickson und Ericksonsche Hypnose auch überdeutlich. Künzel fehlt offensichtlich sebst die grundlegendste Kenntnis der Sache.

Es stellt sich daher also umso mehr die Frage, wie Künzel zu den weitreichenden und apodiktischen Urteilen gelangt, die er äußert. Zum Teil hat das wohl mit Mißverständnissen zu tun. Ich habe „subjektiv“ beispielsweise nicht das Gefühl, daß er überhaupt den Unterschied zwischen „Ericksonscher Hypnose“ und NLP wirklich kennt, was m.E. dazu führt, daß er beide zu konfundieren pflegt soweit er sie „kennt“. (Das NLP ist in großen Teilen in der Tat keine „Hypnose“ im engen und strengen Sinne.)

Ansonsten muß aber auch ich die Antwort schuldig bleiben. In seinem Forum wurde Künzel schon manchmal darauf angesprochen, wie er zu seinen Überzeugungen kommt. Soweit ich das verfolgt habe, hat er diese Frage nie beantwortet, und auch nicht die, ob er je etwas von Erickson gelesen habe. Vielmehr pflegt Künzel nach meinem Eindruck in solchen Situationen  seine Behaptung einfach in andere Worte zu kleiden und erneut zu bekräftigen, etwa in Form von Metaphern. So behauptet Künzel etwa, moderne Hypnose sei wie ein Fahrrad und die klassische wie ein Auto, oder er schreibt:

„Klassische Hypnose: Das Auto steht in der Werkstatt, der Mechaniker hat die Motorhaube geöffnet und repariert die Schäden am Motor. Moderne Hypnose: Das Auto steht in der Werkstatt, der Mechaniker steht daneben, redet dem Auto gut zu und erzählt dem Fahrzeughalter, daß er noch weitere 10 mal zum Zureden in die Werkstatt kommen muss.“

Ich weiß nicht, ob Künzel einfach gar nicht merkt, daß solche Aussagen nichts anderes als Behauptungen sind, jedoch in keinster Weise Argumente oder Begründungen für seine These darstellen, oder ob er einfach keine Argumente hat. Eines aber weiß ich: Künzel betont, daß nur derjenige über klassische und Showhypnose sachkundig urteilen könne, der eine profunde eigene Erfahrung dazu hat. Was nun die Ericksonsche Hypnose angeht, so scheinen da ganz andere Maßstäbe zu gelten: Jegliche Erfahrung und selbst minimale theoretische Kenntnisse sind in diesem Fall wohl vollkommen obsolet. Hier darf man offenbar auch ohne einen Dunst von Wissen oder Erfahrung seine unqualifizierten Vorurteile penetrant zum Besten geben.

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