2. Künzel und die Hypnoseforschung

Wolfgang Künzel, ein ehemaliger Showhypnotiseur, der unter dem markenrechtlich geschützen Künstlernemen „Alexander Cain“ aufzutreten pflegte und sich nun der Hypnose-Ausbildung widmet, scheint allen Ernstes zu glauben, er sei quasi der (Neu)begründer der Hypnoseforschung.

„Erst im Jahr 2002, als in Deutschland von Margot Fraunberger mit meiner Mithilfe ‚Die Hypnoseakademie‘ gegründet wurde und kurz darauf mit Franz Xaver Huber aus der Schweiz ein weiterer Verfechter der klassischen Techniken hinzukam, gab es wieder regelmäßige Ausbildungen und Forschung, insbesondere auch auf wissenschaftlich noch nicht belegbaren Gebieten betreffend der uralten Techniken in Deutschland.“ Quelle

Bevor wir uns dem eigentlichen Thema widmen, müssen wir kurz einige Anmerkungen machen: Neben der klassischen Hypnose, die eher direkt und autoritär vorgeht, existiert auch die sog. „Ericksonsche Hypnose“, bei der oftmals eher indirekte und permissive Elemente vorherrschen. Was die gemessene Tiefe/Suggestibilität angeht, so sind beide Methoden gleich effektiv, wie eine umfangreiche Forschung zeigt. (Siehe zum Thema „Künzel und Erickson“ HIER.)

Nun ist zwischen klinischer Hypnose (also der Anwendung der Hypnose für therapeutische Zwecke) und der Hypnoseforschung zu unterscheiden. Die Hypnoseforschung versucht, die Hypnose an sich besser zu verstehen, und sie ist ein Teilgebiet der (nicht-klinischen) experimentellen Psychologie.

In dieser experimentellen Hypnose / Hypnoseforschung wird gewöhnlich mit einfacher klassischer Hypnose operiert, die in standardisierten Induktionen und Tests verwendet wird. Und selbstverständlich beschäftigt sich die Hypnoseforschung mit allen Formen von hypnotischen Phänomenen.

In den üblichen Suggestibilitäts-Skalen der Hypnoseforschung wie HGSHS:A, SHSSA/B, SHSS:C, SPS, CURSS, BSS, WSGC usw. werden sogar standardmäßig alle möglichen Phänomene induziert; in der besonders wichtigen SHSS:C beispielsweise eine negative visuelle Halluzination (Item 11) und Amnesie (Item 12).

Wer an diesen Behauptungen zweifelt, der kann mit minimalem Recherche-Aufwand meine Aussagen verifizieren.

Um nun aber näher zu verstehen, warum Künzel sich offenbar für den Begründer der Hypnosefoschung hält, müssen wir uns sein (Fehl)verständnis der Hypnose etwas genauer ansehen. Künzel ist der Auffassung, daß die sog. „moderne“ Hypnose nach Erickson gar keine Hypnose im eigentlichen Sinne sei, daß mit ihr vor allem keine „tiefe Trance“ und schwierige Suggestivphänomene zu evozieren seien. Das ist natürlich falsch, aber er scheint dies ernsthaft zu denken.

Ebenfalls scheint er zu meinen, daß „die Ärzte“ generell „nur“ Ericksonsche Hypnose könnten. Das ist natürlich ebenfalls falsch, aber Künzel scheint auch das ernsthaft zu glauben. Es ist m.E. übrigens mehr als offensichtlich, daß Herr Cain sich niemals theoretisch oder gar praktisch mit Ericksonscher Hypnose beschäftigt hat und sein Wissen zum Thema nahe am absoluten Nullpunkt liegt, weshalb es auch rätselhaft bleibt, wie er überhaupt zu sinen Ansichten kommt.

Es handele sich jedoch, das „weiß“ Künzel, bei Ericksonscher und klassischer Hypnose um „völlig unterschiedlichen Techniken[…], die jedoch alle den selben Namen haben: ‚Hypnose'“, meint Künzel, wobei er die Ericksonsche Hypnose schlechtredet:

Das [sic!] sich die moderne Psychotherapie weiterhin in der Sackgasse befindet, dafür sorgen wiederum die Vertreter der verschiedenen Ärzte- und Psychotherapeutenvereinigungen, die sich lieber mit den Vertretern der klassischen Hypnose anlegen, anstatt mit ihnen zusammen zu arbeiten. Natürlich wäre es auch sehr fraglich gewesen, ob die inzwischen sehr bekannten Showhypnotiseure ihre Geheimnisse verraten hätten.

Soweit Künzels messerscharfe Analyse. Und warum das so ist, weiß er auch:

Den Medizinern wiederum kommt es in der Regel nicht darauf an, in kurzer Zeit Erfolg zu haben. Der kranke Patient bringt Geld, nicht der gesunde Mensch.

Wenn es aber tatsächlich so wäre, wie Künzel das wohl glaubt, wenn also „die Ärzte“ wirklich nur Ericksonsche Hypnose könnten und das eben keine echte Hypnose wäre, dann betrieben all die Ärzte und Psychologen logischerweise in der Tat keine „wirkliche“ Hypnose und verstünden nichts von dieser.

Aus allem, was Künzel so schreibt(und ich ermutige jeden, seine Texte im Original nachzulesen), gewinne ich folgenden Eindruck:

– Künzel weiß überhaupt nicht, daß in der Hypnoseforschung standardmäßig klassische Hypnose eingesetzt wird.

– Künzel hat keine Ahnung davon, daß die Hypnoseforschung auch schwierige hypnotische Phänomene erforscht und sogar routinemäßig induziert.

– Künzel ist sich nicht darüber im Klaren, daß die Hypnoseforschung eine eigene Disziplin darstellt, für die in erster Linie die experimentelle Psychologie zuständig ist; er scheint sie vielmehr für eine Domäne „der Ärzte“ (also der Kliniker) zu halten.

-Künzel weiß noch nicht einmal, daß es eine Hypnoseforschung als solche, abgegrenzt gegen die kliniche Hypnose, überhaupt GIBT.

Dieses eklatante Unwissen gepaart mit den fundamentalen Mißverständnissen über Ericksonsche Hypnose und dem Glauben, daß „die Ärzte“ nur Ericksonsche Hypnose kennen, mag erklären, warum Künzel glaubt, er habe mit einigen Mitstreitern die Hypnoseforschung (neu)begründet. Wer nicht einmal weiß, daß es eine Hypnoseforschung überhaupt gibt, der mag sich wohl für ihren Begründer halten.

Künzel nimmt (soweit ich seine Texte kenne) keinerlei Bezug auf Hypnoseforschung und Hypnoseforscher. Dies und seine „Geschichte der Hypnose“ (bei der er uns als besonders wichtige Figur und als einzige außer Paracelsus mit Farbfoto entgegentritt) sowie die von ihm geäußerten Inhalte und die Art seines Denkens allgemein lassen darauf schließen, daß er in der Tat niemals mit hypnosewissenschaftl. oder auch nur qualifizierter klinischer Literatur je in Berührung kam.

Für seine völlige Unkenntnis der Hypnoseforschung spricht auch diese Passage auf einer seiner Seiten: „Weitere ‚hochwissenschaftliche‘ Wahrheiten, die in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Forschung entdeckt wurden, sind dann zum Beispiel: ‚Das Unterbewusstsein kann keine Negationen verarbeiten‘. Seitdem es zur Lehrmeinung geworden ist, wird nun versucht, alles positiv auszudrücken.

Selbstverständlich wird solches nirgendwo in der wissenschaftl. Literatur behauptet, schon gar nicht handelt es sich um eine „hochwissenschaftliche“ Wahrheit, noch wurde diese vermeintliche Tatsache aufgrund irgendeiner „Forschung“ entdeckt. Die Behauptung, daß Negatioen bei der Hypnosen nicht verstanden würde, ist falsch, wie Künzel zurecht bemererkt. Aber sie entstammt der Laienliteratur, wird sich vielleicht in einiger klinischer Literatur finden, hat aber mit der Hypnoseforschung rein gar nichts zu tun. (Ein Beispiel für einen tatsächlich wissenschaftlichen Artikel wäre DIES.)

Hier zeigt sich wohl überdeutlich, daß Künzel im Zusammenhang mit der Hypnoseforschung offenbar wirklich nicht weiß, wovon er schreibt und spricht und ihm unbekannt ist, was Hypnoseforschung und Fachliteratur sind und was nicht.

Weil Künzel offenbar die Hypnoseforschung nicht ansatzweise kennt (was an sich nicht schlimm wäre) und wohl auch nicht einmal weiß, daß sie überhaupt eigenständig und unabhängig von der Klinik existiert, ist er in den seltsamsten Irrtümern befangen bis hin zu dem besonders bemerkenswerten und kuriosen, daß ausgerechnet er, Wolfgang Künzel, der Begründer der Hypnoseforschung sei. Wenn das Sprichwort vom Bock, den man zum Gärtner gemacht hat, irgendwo seine Berechtigung hat, dann hier.

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