33. Wie Künzel schlußfolgert

Aktuell: Künzel spielt mal wieder den Gesundheits- und Moralapostel und regt sich auf, weil ein Hypnotiseur bei einer Sendung den Probanden zum „Aufwecken“ scheinbar ins Gesicht geblasen hat.

Vorweg: Ich finde das auch unappetitlich und verstehe nicht, wieso sich diese Praxis bis heute gehalten hat. Man muß aber auch die Kirche im Dorf lassen. Das tut Künzel jedoch nicht, der eine „Anfrage“ an das ZDF verfaßt hat:

„…Noch viel interessanter finde ich jedoch, dass inzwischen die Infektionstheorie nicht mehr gilt. Es wurde ja den Hypnoseteilnehmern im Beisein von Schulmedizinern ins Gesicht gepustet. Bitte erklären Sie mir entweder, warum Milliarden Menschen aufgrund einer offensichtlich widerlegten Theorie geimpft werden. Oder sind die Ärzte vielleicht nur Statisten, die nicht erkennen können, dass hier eine Infektion stattfinden kann. Oder hat der Hypnotiseur vor der Sendung eine Sagrotanmundspülung genommen?
Falls die Infektionstheorie eine Farce ist, machen Sie doch bitte eine Sendung gegen das Impfen, denn dann ist das ja völlig unsinnig. Falls jedoch der Hypnotiseur ein Vertreter der ‚Keine Ahnung-Liga‘ ist, sollten Sie dringend aufklären, dass die Beteiligten Hypnotisanden nun unter ärztlicher Aufsicht stehen und das diese Aktion unter Motto: ‚Kamera an, Gehirn aus!‘ stand….“

Sachlich und seriös wie immer, aber das kennen wir ja von Künzel bereits bestens.

Aber versuchen wir mal, die Argumentation Künzels zu rekonstruieren und den sachlichen Gehalt seines Schreibens aufzuschlüsseln:

1. Wenn man jemanden ins Gesicht bläst, kann es zu einer Infektion kommen.

2. Es ist unverantwortlich, Menschen zu infizieren.

3. Deshalb ist es unverantwortlich, wenn man jemandem ins Gesicht bläst.

Klingt erst mal logisch – ist es aber nicht! Die Argumentation ist in dieser allgemeinen Form genau so unsinnig und fehlerhaft wie diese:

1. Wenn jemand einen VW fährt, kann er andere Leute totfahren.

2. Es ist unverantwortlich, andere Leute totzufahren.

3. Also ist es unverantwortlich, einen VW zu fahren.

Was man nämlich für Künzels Schlußfolgerung bräuchte, damit diese Sinn macht, wäre die folgende Zusatzprämisse:

„Wenn man jemanden anpustet, ist die Gefahr einer Infektion wesentlich höher, als wenn man nur normal mit dieser Person spricht oder sie sich einfach in einem größeren Raum mit anderen Menschen befindet. (Und die Gefahr ist dann so hoch, daß das Anpusten im Verhältnis zu alltäglichen minimalen Restrisiken erheblich ist.)“

<strong>Diese oder eine ähnliche Zusatz-Prämissen muß gelten, sonst ist Künzels Argumentation null und nichtig!</strong>

Dies scheint der Arnstorfer Ex-Showhypnotiseur aber überhaupt nicht zu merken. Er problematisiert diese Voraussetzung nämlich in keinster Weise! Erst recht begründet er sie nicht.

Und in der Tat dürfte das auch schwierig sein. Denn natürlich können Krankheiten auch durch Anpusten übertragen werden. Für eine solche Ansteckung per „Tröpfcheninfektion“ ist Anpusten jedoch keineswegs nötig. Es reicht völlig, wenn jemand hustet oder niest, selbst wenn die betreffende Person einen gewissen Abstand zu den anderen Personen hält; und nicht nur dies: Auch beim ganz normalen Sprechen in unmittelbarer Nähe eines Gegebnübers kann eine Tröpfcheninfektion stattfinden! In der Wikipedia heißt es dazu:

„Als Tröpfcheninfektion wird eine Ansteckung durch eine aerogene Übertragung und somit direkte Verbreitung von Krankheitserregern über die Luft bezeichnet. Dies geschieht durch Aerosol- oder Tröpfchenbildung beim Sprechen, Niesen und Husten durch Vernebelung keimhaltiger Sekrete der Atemwege. Zur Infektion der Kontaktperson(en) kommt es, wenn die Erreger anschließend auf die Schleimhäute meist des oberen Atemtrakts gelangen und sich dort vermehren. „

Man beachte, daß das normale Sprechen hier sogar als erste Ursache noch vor Husten und Niesen genannt wird! (Natürlich, wenn man erkältet ist, wird man erst recht niemandem ins Gesicht pusten, aber man wird dann auch vorsichtig sein, wenn man mit jemandem in unmittelbarer Nähe auch nur spricht und das nicht „von Gesicht zu Gesicht“ tun.)

Ist nun die Gefahr wesentlich erhöht, wenn man jemanden anpustet? Ist dieses Verhalten aus epidemiologischer Sicht „besonders riskant“, so sehr, daß es als „unverantwortlich“ zu gelten hat, so wie Künzel das offenbar annimmt?

Zumindest konnte ich bei meinen Kurz-Recherchen keine entsprechenden Hinweise finden. Das muß ich aber auch nicht, denn da Künzel eine solche Behauptung aufstellt, wäre es an ihm, sie zu belegen; es wäre an Künzel, eine solche Annahme stichhaltig zu untermauern. Genau das tut er meines Wissens aber absolut nirgendwo, obwohl er ja immer wieder insbesondere über seinen Kollegen Pharo wg. des Anpustens herzieht!

Also Herr Künzel, wenn Sie mir eine gute Quelle geben, glaube ich Ihnen gerne. Bis dahin sind Ihre Behauptungen aber reine und unbewiesene Behauptungen! Und selbst wenn sich raussetellen sollten, daß sie zufällig mit Ihrer Aussage recht hatten, obwohl diese nur eine Spekulation war, bleibe doch, daß ihr Vorgehen unbegründet wäre und Sie bestenfalls einen Zufallstreffer gelandet hätten!

Und hier haben wir wieder mal einen typischen Beispielfall dafür, daß Künzel oft sehr „schludrig“ argumentiert, daß er einfach bestimmte Voraussetzungen annimmt; daß er sich offenbar oft nicht bewußt ist, daß er Zusatzannahmen benutzt, die keineswegs selbstverständlich gelten, sondern die vielmehr erst einmal zu beweisen wären.

Höchstwahrscheinlich kommen so auch Künzels unzählige Fehlvorstellungen im Bereich der Hypnose zustande: Künzel leitet irgendetwas aus seiner Erfahrung oder aus bestimmten Informationen auf eine logisch nicht hinreichend begründete und unkorrekte Weise ab, merkt das aber gar nicht, sondern meint, er spreche aus Erfahrung oder gesichertem Wissen.

Ich versuche einmal seine Aussage, daß man mit Ericksonscher Hypnose keine „anspruchsvollen“ hypnotischen Phänomene induzieren kann, auf ihre vermutlichen Gründe hin zu prüfen. (Die Annahme ist nachweislich falsch, siehe Artikel 3.)

Wahrscheinlich verwendet Künzel folgendes Schlußschema:

1. Die mir bekannten Leute, die mit Ericksonscher Hypnose arbeiten, induzieren keine schwierigen hypnotischen Phänomene.

2. Also kann man mit Ericksonscher Hypnose keine schwierigen Phänomene induzieren.

Hier haben wir es natürlich klarerweise mit einem Fehlschluß zu tun. Denn es wird erstens vom Nicht-Wissen auf das Nicht-Vorhandensein geschlossen, zweitens von der nicht vorhandenen Faktizität auf die nicht vorhandene Möglichkeit. Die Zusatzprämissen, die für diesen Schluß nötig wären, müßten lauten:

a) Wenn mir aufgrund meines arg begrenzten Wissens nicht bekannt sind, dann gibt es das auch nicht.

b) Wenn etwas typischerweise nicht gemacht wird, dann ist es auch nicht möglich.

Und das ist natürlich beides offensichtlicher Unsinn. Und in der Tat gibt es dann auch „Ericksonsche“ Hypnostiseure, die schwierige hypnotische Phänomene induzieren, und es ist möglich, durch Ericksonsche Hypnose anspruchsvolle Hypnose-Phänomene hervorzurufen.

Es scheint auch andere Gründe zu geben, aus denen Künzel seine falsche Schlußfolgerung ableitet. Wir wollen einen so schematisieren:

1. Ich habe Ericksonsche Hypnose gesehen, und die Leute da wirkten „wach“. (Alternativ: Ich habe über eine Ericksonsche Hypnonose gelesen, und nach der Beschreibung waren die Teilnehmer sicherlich „wach“.)

2. Aber nur wo das Bewußtsein stark eingeschränkt wird, können schwierige hypnotische Phänomene induziert werden.

3. Also kann man mit Ericksonscher Hypnose keine schwierigen hypnotischen Phänomene erreichen.

Auch hier haben wir es natürlich mit einem Fehlschluß zu tun. Es müßten nämlich einige Zusatzprämissen gelten, von denen nur eine genannt sei:

a) Es gibt nur die eine Ericksonsche Hypnose, die so funktioniert, wie ich sie gesehen habe, und es existieren nicht etwa ganz verschiedene Vorgehensweisen, die unter dem Begriff  „Ericksonsche Hypnose“ subsumiert werden.

Das ist aber natürlich falsch. Es gibt die verschiedensten Ericksonschen Vorgehensweisen, darunter sehr informelle wie das reine Erzählen einer Metapher; aber auch sehr formelle Techniken mit klar erkennbarer Induktion können als „ericksonianisch“ bezeichnet werden. „Ericksonsche Hypnose“ ist keine Bezeichnung für ein monomorphes Phänomen, sondern ein weiter Sammelbegriff. (Zudem ist im vorliegenden Fall auch die 2. Prämisse falsch: Denn das Bewußtsein muß nicht „eingeschränkt“ sein, damit sich schwierige hypntische Phänomene induzieren lassen.)

Ein weiterer Fehlschluß bei Künzel hinsichtlich der Hypnose im Allgemeinen scheint so zu gehen:

1. Bei der Hypnose, insbesondere bei hoher Suggestibilität, kann es vorkommen, daß sich die Subjekte an nichts erinnert.

2. Also waren sie nicht oder nur sehr eingeschränkt bei Bewußtsein

3. Also besteht (tiefe) Hypnose in einem stark eingeschränkten Bewußtsein.

Auch hier haben wir es wieder mit einem Fehlschluß zu tun: Wenn man für ein bestimmtes Ereignis eine Amnesie hat, dann folgt daraus nicht zwangsläufig, daß man währenddessen bewußtlos war! (Daß die Amnesie bei der Hypnose auch tatsächlich nicht etwa durch Bewußtlosigkeit eintritt, habe ich kurz in Artikel Nr. 32 begründet.)

Mir bleibt hier natürlich nur, darüber zu spekulieren, wie Künzel im Fall der Ericksonschen Hypnose oder in anderen Fällen zu seinen falschen Behauptungen gelangt. Denn Künzel begründet seine Aussagen ja niemals in solchen Fällens – jedenfalls soweit ich das je mitbekommen habe. Er argumentiert ja nicht; er stellt einfach Behauptungen auf und verlangt, daß man sie glaubt. Wie er auf diese kommt, ist und bleibt gewöhnlich sein Geheimnis. Zwar lassen Künzels Thesen deutlich erkennen, daß er sehr wenig über die entsprechenden Dinge weiß und offenbar in Missverständnissen befangen ist, aber wie genau er Schlußfolgerungen zieht, läßt sich nur indirekt rekonstruieren. Offensichtlich jedoch fehlerhaft, unsorgfältig und unkritisch!

Das Schlimmste ist aber, daß ihm das offenbar überhaupt nicht bewußt ist, sondern daß er mit einer arroganten und besserwisserischen Attitüde seine Fehlschlüsse für die erwiesene Wahrheit hält: Künzel weiß beispielsweise, daß es absolut unverantwortlich ist, wenn man jemandem während der Hypnose ins Gesicht bläst, denn er weiß ja, daß auf solchem Wege Krankheiten übertragen werden können!

Das Fehlen eines differenzierten und logisch korrekten Denkens rächt sich in solchen Fällen unerbittlich. Und leider gilt das auch für die Hypnose: Künzel ist oftmals im Unrecht, und seine Überzeugungen fußen oft auf brüchigem Boden; er ist jedoch absolut eingenommen von der Idee, im Recht zu sein und bezeichnet alls als „unwissend “ oder als „Lügner“, die andere Auffassungen als er haben. So fühlt er sich offenbar zum Missionar berufen, der mit der Fackel der Wahrheit all die „Unwissenheit“ und die „Lügen“ anderer bekämpfen muß.

Dies erinnert an einen Ausspruch von Hans Krailheimer, den Künzel auf seiner Seite zitiert: „Das schlimme ist, dass die Unfähigkeit zu denken so oft mit der Unfähigkeit zu schweigen Hand in Hand geht.“

Wie so bei so vielen solcher Weisheiten kommt Künzel offenbar nicht im Traum auf die Idee, sie auf sich selbst anzuwenden. Ich will jedoch nicht zu gemein sein und Künzel nicht unterstellen, daß er prinzipiell „denkunfähig“ wäre. Ich gehe davon aus, daß er bei etwas mehr Bescheidenheit und kritischer Selbstdistanzierung, und eventuell auch einer entsprechenden Beschäftigung, durchaus zu angemesseneren Leistungen fähig wäre.

Ratsam wäre es allerdings,  wenn er weit weniger aggressiv aufträte.

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