66. Künzels geniale „Gedankenhypnose“

Naivität, Dein Name ist „Wolfgang Künzel“! Was der ehm. Showhypnotiseur Wolfgang Künzel aka Alexander Cain neuerdings wieder mal abliefert, zeigt seine ausgeprägte Unwissenheit zum Thema Hypnose besonders eindrücklich.

Künzel macht eine Gruppenhypnose, bei der die Leute mit geschlossenen Augen dastehen und darauf warten, dass sie nach hinten umfallen (hinter jedem Probanden steht eine andere Person, die diesen auffängt). Und so fällt dann auch einer nach dem anderen um, und Künzel führt die Hypnose mit den nun liegenden Personen weiter. Bewundern kann man den Meister bei der Arbeit HIER. Dieses Verfahren, bei dem angeblich irgendwelche „Felder“ im Spiel sind, belegt Künzel mit der klangvoll-pompösen Bezeichnung „Morphogenetischer Somnambulismus®“ (das eingekringelte R darf nie fehlen). Das also ist die unglaublich geniale Methode, die so wirksam, aber auch so gefährlich ist, dass ihr mindestens genauso genialerer Schöpfer zu ihr verlauten lässt:

„Aufgrund der inzwischen großen Erfahrungen, bitte diese Induktion nur noch verwenden, wenn ihr eine biomatrix®-Ausbildung habt. Es kommt leider bei ca. 20-30% der Probanden vor, dass die normale Hypnoseauflösung nicht genügt. Eine biomatrix®-Anwendung ‘Feld des Somnambulismus löschen’ wirkt Wunder, wenn man es beherrscht… Wenn nicht, gibt es möglicherweise Probleme.“

Etwas „Besonderes“ ist an der von Künzel gezeigten Gruppenhypnose eigentlich nicht daran. Doch der ehemalige Bühnenhypnotiseur behaupte in diesem Video nun ausdrücklich, dass er die Leute mit „Gedankenkraft“ hypnotisiert habe. Dasselbe verkündet er auch in seinem Forum, wo er auch dieses Video verlinkt:

„Der morphogenetische Somnambulsimus® ist inzwischen so weiter entwickelt, dass ich am letzten Wochenende 5 Personen auf einmal und ohne Berührung, nur mit Kraft der Gedanken hypnotisiert habe. Insgesamt 10 Zeugen konnten dem folgen!“

Und später erfolgt dann die Verlinkung zum obigen Video. Künzel meint also, dass das „Umfallen“ der Probanden auf seine Gedankenkraft zurückzuführen sei.

Hier sieht man mal wieder die praktisch VOLLSTÄNDIGE Unwissenheit und Unbildung von Künzel in Bezug auf Hypnose. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter diskutieren, ob es grundsätzlich möglich sein mag, mit Gedankenkraft zu hypnotisieren – Gedankenübertragung mag nach meiner persönlichen Meinung unter ganz bestimmten Bedingungen sogar funktionieren. Im konkreten Fall (bei Künzel) aber liegt natürlich nach aller Wahrscheinlichkeit alles vor, nur keine „Gedankenhypnose“.

Der fragliche Effekt (das Umfallen) geht hier natürlich auf die Erwartungshaltung zurück; so wie überhaupt Erwartung (und Motivation) genügen, um Trance und hypnotische Phänomene zu induzieren – was ja allgemein bekannt ist, jedenfalls unter denen, die ein bisschen Ahnung von Hypnose haben. Ein klassisches Beispiel ist der Mesmerismus: Damals saßen die Patienten um einen Bottich herum und erlebten Krampfanfälle und übergaben sich – weil sie genau dies erwarteten! Diese „Krisen“ sollten sie gesund machen. Die Ursache für die Krampferscheinungen schrieb Mesmer zwar je nachdem wahlweise seiner eigenen „magnetischen“ Kraft oder einer von ihm „magnetisierten“ Flüssigkeit zu, aber es ließ sich überzeugend zeigen, dass die „Einbildung“ und der Glaube der Patienten – und nicht irgendwelche magnetischen Kräfte – für ihr seltsames Verhalten verantwortlich waren.

Später geschah Analoges beim „großen Hypnotismus“ von Jean-Martin Charcot, wo sich die Probanden ebenfalls wieder so verhielten, wie dies von ihnen erwartet wurde.  Charcot glaubte beispielsweise, er könne hypnotische Phänomene von der einen Körperhälfte auf die andere übertragen – und dies geschehe nicht durch die Erwartung des Subjekts, sondern durch die Kraft eines Magenten. In ähnlicher Weise meinte er, dass er beispielsweise Hypnotisierte von dem einen hypnotischen Zustand in einen anderen bringen könne, indem er einfach etwa die Stirn einer solchen Person rieb.

Übrigens war es gerade James Braid, für dessen Reinkarnation Künzel sich anmaßenderweise hält (Art. 1), der bereits aufdeckte, wie die Überzeugungen des Hypnotisierten sein Verhalten beeinflussen – und nicht externe Kräfte wie Magneten (oder eben auch Gedanken). Siehe dazu  „Hypnotism: Its history, practice and theory“ von J. Milne Bramwell (1903/1921, S. 148, 286, f.). Wenn ein Betroffener nämlich nicht die geringste Ahnung hat, dass beispielsweise ein Magnet eine bestimmte hypnotische Wirkung haben soll, dann reagiert er auch nicht „hypnotisch“ auf den Magneten. Wenn jemand aber um die angeblichen hypnotischen Kräfte eines Magneten „weiß“, dann reagiert er auch auf unechte Imitate eines Magneten, so er den Schwindel nicht durchschaut. Es ist also die Erwartung, und nicht etwa der Magnet, der wirksam wird.

Schon früh wurde auch erkannt, dass beispielsweise die spontane posthypnotische Amnesie weit eher auftritt, wenn das Subjekt glaubt, dass sie zur Hypnose gehört, als wenn es nichts von diesem Phänomen weiß. Ähnliches gilt für die spontane Katalepsie des Körpers. Und Martin Orne zeigte dann in den 50er Jahren des 20. Jhs., dass Probanden typischerweise eine „spontane“ Katalepsie der nicht-dominanten Hand aufweisen, wenn ihnen im Vorfeld vermittelt wurde, dass dies zur Hypnose gehöre.

Summa summarum: Probanden reagieren auf Hypnose in erheblichem Maße genau so, wie sie glauben, dass sich das „gehört“ – dass das zur Hypnose gehört! Dies gilt für Trance-Induktionen ebenso wie für hypnotische Phänomene: Wenn man Probanden auf die Stirn drückt oder sie einem „magnetischen“ Wasser aussetzt, dann werden sie „in Trance“ bzw. in ein bestimmtes hypnotisches Stadium gehen, falls sie glauben, dass die entsprechende Behandlung eben solch einen Effekt hat. Und die Trance, die sie erleben, kann dann ganz unterschiedlich „ausfallen“ – wieder abhängig von den Erwartungen der betreffenden Personen.

Genauso wenig, wie wir nun annehmen, dass die Patienten Mesmers ihre „Krisen“ hatten und sich übergaben,  weil sie durch  magnetische Kräfte aus einem Wasserkübel berührt wurden, und genauso wenig, wie wir glauben, dass Charcots Patienten auf Magneten oder Metalle reagierten, wenn eine Katalepsie vom linken zum rechten Arm sprang, genauso wenig haben wir irgendeinen Grund zur Annahme, dass Künzels Probanden auf seine „Gedankenkraft“ antworten, wenn sie „umfallen“. In Wahrheit erwarten diese Subjekte, dass sie früher oder später nach hinten fallen werden; und genau so geschieht es dann!

Wenn Künzel die Teilnehmer im Video auffordert, dass sie bitte nicht aufgrund ihrer Erwartung nach hinten fallen sollen, sondern nur, wenn eine entsprechende Kraft sie dorthin zieht, so zeigt dies eine wahrhaft erstaunliche Naivität. Als wenn man merken würde, dass man auf die eigene Erwartung reagiert! Und als ob man das irgendwie verhindern könnte! Also ob die Patienten beispielsweise von Mesmer und Charcot gemerkt hätten, dass sie aufgrund ihrer Vorstellung, Motivation und Erwartung so reagierten, wie sie eben reagierten! Als ob sie nicht geglaubt hätten, dass irgendwelche Kräfte von außen sie beeinflussen!

Wie sollte man einen Effekt auch unterdrücken, wenn man ihn überhaupt nicht wahrnimmt und er rein unbewusst abläuft? Man müsste hier eine „Blockade-Haltung“ einnehmen. Solange man sich jedoch auf eine solche Übung wie einen Suggestibilitätstest einlässt, solange wird die Erwartung natürlich wirksam sein. Und dass seine Probanden sich darauf einlassen, dazu hat Künzel sie ja aufgefordert: Sie sollen das Umfallen „geschehen lassen“ und „nicht dagegen arbeiten“. Das sind Standard-Formulierungen für ganz normale Suggestibilitätstests, die nichts mit angeblicher „Gedankenübertragung“ zu tun haben, sondern allein mit der Vorstellung des Subjekts!

Übrigens stellt das „Umfallen“ auf Suggestion hin  tatsächlich einen geläufigen Suggestibilitätstest dar, der ganz ähnlich stattfindet oder stattfinden kann, wie Künzels es macht: Der Hypnotiseur steht hinter dem Subjekt und suggeriert ihm, dass es irgendwann „von alleine“ nach hinten fallen werde. Oder auch, dass die Hände des Hypnotiseurs „magnetisch“ seien und den Probanden nach hinten ziehen würden. Es ist dabei nicht einmal notwendig, diese Suggestion „direkt“ zu geben oder sie zu wiederholen. Vielmehr genügt es vollauf, dass das Subjekt die Vorstellung hat, dass es irgendwann nach hinten fallen wird (und dazu bereit ist). Der Betreffende wird dann in der Regel tatsächlich auch nach hinten fallen – und zwar „ganz von alleine“ bzw. weil eine „Kraft ihn nach hinten zieht“. Oder genauer: Er erlebt es dann so.

Und wenn die entsprechende Person dann auch noch zusätzlich glaubt, dass sie durch das Umfallen auch „in Trance“ fallen wird, dann wird sie dabei (meistens) auch „in Trance fallen“. So wird aus dem Umfalltest eine Induktion. Es ist hier genau dasselbe wie bei den Probanden von Künzel; der einzige relevante Unterschied besteht darin, dass bei Künzel die ganze Sache in der Gruppe stattfand, und nicht einzeln!

Und dass Leute „spontan“ nach hinten umfallen, scheinbar aufgrund einer äußeren Kraft, und dann liegen bleiben, ist ein Phänomen, das übrigens auch im religiösen Bereich auftritt („Toronto-Segen“). Hier fallen Menschen dann „massenhaft“ um, was sie selbst auf ein göttliches Wirken zurückführen. Ich möchte dies gar nicht werten oder solchen Praktiken ihre spirituelle Dimension absprechen, sondern nur darauf hinweisen, dass das „Umfallen“ von Künzels Probanden absolut nichts „Einzigartiges“ ist.

Es ist nichts in irgendeiner Weise „Mysteriöses“, sondern ein vollkommen normaler Suggestiv-Effekt! Mit „Gedankenübertragung“ hat das nichts zu tun!

Es ließe sich übrigens ganz einfach direkt demonstrieren, dass Künzel „Gedankenhypnose“ nur ein völlig normaler Suggestiv-Effekt ist. Dazu müsste man nur Künzels Experiment wiederholen, aber ohne, dass man den Versuchspersonen irgendwelche „Gedanken“ übermittelt. Man würde stattdessen motivierten Personen, die für solche Dinge „offenen“ sind, einfach nur glaubwürdig vermitteln, dass man sie gedanklich hypnotisiert. Das könnte sogar ein Schauspieler machen. Ich gehe jede Wette ein: Die Leute würden ganz genau so umfallen wie bei Künzel.

Nur seine extreme Unwissenheit kann den selbsternannten Begründer der deutschen Hypnoseforschung (Art. 2) zur Überzeugung verleiten, dass das von ihm demonstrierte „Umfallen“ in irgendeiner Form „außergewöhnlich“ sei – oder gar ein Indiz für seine telepathischen Kräfte! Die Naivität, die sich hier mal wieder offenbart, ist fast schon rührend. Wer auch immer sich ernsthaft mit der Hypnose auseinandersetzt und sich gewisse Grundkenntnisse erarbeitet – und das muss nichts mit „Wissenschaftlichkeit“ zu tun haben -, kann nur einmal mehr den Kopf schütteln.

So ist das eben, wenn man keine Ahnung von den Erfahrungen und Erkenntnissen anderer hat, weil man ja eh alles besser weiß, und daher glaubt, man müsse das Rad neu erfinden. Das Ergebnis: Man wiederholt alle alten Fehler.

Methoden wie beispielsweise NLP, autosystemische Hypnose oder hypnosystemische Therapie, von denen er nicht die geringste Ahnung hat, macht Künzel nieder. Seine eigenen „Methoden“ hingegen versieht er nicht nur mit hochtrabenden Namen („Morphogenetischer Somnambulismus“, „Multiple Tiefeninduktion“), sondern stellt sie in einer seltsamen Mischung aus Ahnungslosigkeit und Hybris auch noch als das Non-Plus-Utra hin.

Aber Kritik gibt es offenbar auch schon – woran eigentlich? Dass Künzel das Geheimnis einer so „unglaublich mächtigen“ Vorgehensweise, wie er sie erfunden hat, enthüllt? Jedenfalls behauptet er:

„Auf der anderen Seite werde ich gerade dafür angfeindet, dass ich zeige das es das gibt. Ich jedoch denke, dass es jeder wissen sollte, dass es das gibt. Das erweitert das Bewusstsein immens!“

Na, dann mal viel Spaß bei der Bewusstseinserweiterung, mein lieber Künzel! Aber eine „Wissenserweiterung“ wäre in Ihrem Fall auch ganz nützlich.

Ein Forumsmitglied antwortet zu Künzels Video, augenscheinlich erfüllt von tiefster Bewunderung für den „Meister“ in unfreiwilliger Ironie:

„Unglaublich was alles möglich ist. Ich könnte mir gut vorstellen das 95 % der Bevölkerung sagen würden, ‚Fake,Was ein Schwachsinn,….‘ Naja, so ist das halt mit dem Wissen….Der beste Weg eine Bevölkerung auszunutzen, ist sie dumm zu machen und dann auszubeuten. Ich überlege, ob ich in nächster Zeit alle Seminare durcharbeite…“

Dazu fällt mir dann auch kein Kommentar mehr ein. Aber vielleicht der geneigten Leserschaft, denn wie immer gilt:

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