22. Schlaf nicht ein!

„Schlaf! – Klassische Hypnose lernen“ heißt das Werk des ehem. Showhypnoiseurs „Wolfgang Künzel“, der unter der Bezeichnung „Alexander Cain“  im Internet wie im realen Leben sein Wesen treibt.

Das Buch sollte aber vielleicht besser heißen: „Schlaf nicht ein!“, denn für mich jedenfalls ist das Einschlafen bei dieser Lektüre keine Kunst; das Wachbleiben schon eher.

Aber seien wir nicht unfair: Die allermeisten Anfängerbücher können mich persönlich nicht vom Hocker reißen, und wohl auch kaum jemanden sonst, der sich schon länger mit der Thematik „Hypnose“ befaßt.

Insgesamt ist Künzels Buch jedoch relativ kurzweilig und unterhaltsam geschrieben, vom Stil her flüssig und gut lesbar – wenn der Stil auch eher einfach ist. Es enthält nicht nur sachliche Informationen über die Hypnose, sondern Künzel beschreibt auch seine persönliche Erfahrungen, seine eigene Geschichte, nämlich wie er die Hypnose für sich entdeckte und zum professionellen Shwohypnotiseur wurde.
Auch der historische Teil, vor allem der „frühhistorische“, zeigt einiges an Akribie und eine Mühe, die der Autor sich gemacht hat.

Sie können übrigens ein kostenloses Exemplar HIER ordern. Das ist auch die Vorlage, auf die ich mich beziehe. Aber passen Sie auf, wenn Sie es downloaden, sonst werden Sie ganz schnell in Künzels Forum öffentlich abgewatscht! Eine erweiterte Printversion gibt es im Buchhandel.

Es ist allerdings anzumerken, daß wenig in dem Text steht, was wir nicht auch schon auf Künzels Homepage oder in seinen Forenbeiträgen erfahren durften. Das ist aber nicht unbedingt an sich „schlimm“, zumal das Buch ja kostenlos erhältlich ist.

Soweit das Gute. Leider hat dieses Buch aber auch ganz erhebliche Schattenseiten.

Künzel bläht sich nämlich mal wieder bis zum Zerbersten auf, stellt sich geradezu als den Erfinder der Hypnose dar und macht sich mal wieder zum Richter über alles und jedes, auch über das, wovon er keinen Schimmer hat.

Einmal mehr verbreitet er die Legende, daß er und seine Frau die Lehre und Forschung zur Hypnose in Deutschland erst etabliert hätten, was natürlich völliger Unsinn ist.

Positiv läßt sich vielleicht noch sagen, daß Künzel die Vermittlung der Hypnose an Personen ohne ärztlichen oder psychologischen Status in Deutschland vorangebracht hat – das war’s dann aber auch. Der Begründer der Hypnoseforschung ist er selbstverständlich nicht, vielmehr scheint er von der Existenz dieser Wissenschaft nicht einmal etwas zu ahnen.

Und dann folgt wieder der alte Sermon von der miserablen Ericksonschen Hypnose und den bösen Medizinern, die diese nur deshalb anwendeten, weil sie ihre leidenden Patienten wie eine Weihnachtsgans ausnehmen wollten. Wir kennen das schon; man siehe HIER.

Künzel spricht sogar davon, daß die medizinische Hypnose wegen ihrer Orientierung an Erickson in der Sackgasse stecke. Um voranzukommen, müsse sie mit der Shwohypnose zusammenarbeiten, wobei es allerdings zweifelhaft sei, ob die Showhypnotiseure ihre gut gehüteten Geheimnisse verraten würden bzw. verraten hätten!

„Gott sei Dank haben wir da ja Herrn Künzel, der sein Wissen mit der breiten Öffentlichkeit gegen Seminargebühren großzügig teilt!“, möchte man voll Sarkasmus ausrufen.

Daß die gesamte experimentelle Hypnose, die sich mit Namen wie Weitzenhoffer, Hilgard, Sarbin, T.X.Barber, Orne, Spanos, Lynn, Bowers und vielen mehr verbindet, daß also diese ganze experimentelle Hypnose regelmäßig und bis heute klassisch arbeitet, weiß Künzel offenbar nicht; um dies zu sehen, würde es ausreichen, wenn er sich einige häufig verwendete Hypnose-Skalen wie die HGSHS:A oder die SHSS:C zu Gemüte führen würde.

Daß auch bei medizinischer Hypnose teilweise klassisch gearbeitet wird, könnte Künzel beispielsweise aus dem von Revenstorf und Peter herausgegebene Lehrbuch „Hypnose in der Psychotherapie, Psychosonatik und Medizin: Ein Manual für die Praxis“ ersehen. Könnte. Denn warum sollte sich ein Wolfgang Künzel mit Dingen beschäftigen, die er von vornherein als absolut minderwertig ansieht? Und wer könnte je Herrn Künzel schon etwas Neues beibringen?

Künzel gibt sich nicht nur als das hellste Gestirn am Firmament der Hypnose; er greift zugleich andere systematisch und in teilweise extremer Weise an. Er ist eben nicht allein der eitle und selbstzentrierte Ichdarsteller, der sich wohlgefällig in Szene setzt, nicht nur der Möchtegern-Begründer der Hypnoseforschung und auch nicht nur die selbsternannte mutmaßliche Reinkarnation Braids; nicht allein ist er der Mittelpunkt des Hypnose-Kosmos von eigenen Gnaden; er ist auch ein Brandstifter, der potentielle Patienten und Neulinge verunsichert, da er die gesamte klinische Hypnose (die er mit der ericksonschen gleichsetzt) massiv und pauschal in Mißkredit bringt. Und das ist das Problematische an der ganzen Geschichte.

Dabei ist Künzel sich jedoch offenbar absolut sicher, im Recht zu sein; jedoch nicht halb so sicher, wie ich es bin, daß er in seinem gesamten Leben nicht mal eine Zeile von Erickson gelesen hat, was man ja bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit an seinen unqualifizierten Äußerungen feststellen kann/muß (auf entsprechende Nachfragen in seinem forum antwortet er ja nicht).

Aber ganz offensichtlich gefällt sich Künzel dann auch gut in der großen Pose des einsamen Propheten, der die kleinen Leute vor dem allgegenwärtigen Betrug, vor dem überall lauernden Bösen, schützt, und der mutig gegen den Mainstream schwimmt; so wie er ja überhaupt ein besonderes Faible für Verschwörungstheorien hat und gerne bei anderen Menschen Übles vermutet und ihnen die schlechtesten Motive unterstellt; so wie er sich selbst umgekehrt zu gerne als Aufklärer und als moralisch integerer Saubermann präsentiert.

Über Künzels fehlerhafte Darstellungen in seinem Buch, verschiedene kleinere Schwächen und insbesondere seine mangelhafte Theorie der Hypnose ließe sich noch vieles schreiben, worauf ich jedoch hier verzichte.

Besonders unangenehm stößt bei mir jedoch auf, wie Künzel seinen Weg zur Hypnose beschreibt: Er hat experimentiert und Bücher gelesen. Daran wäre an sich ja nichts schlimm, würde er nicht andere, die es ebenso halten, regelmäßig in den Senkel stellen, ihnen erzählen, wie gefährlich und unverantwortlich dieses Vorgehen sei, und daß sie unbedingt vor ihrer ersten Hypnose – bei wem wohl – ein Seminar zu besuchen hätten.

Nicht mit einem Wort bedauert Künzel, daß er es genau so bei sich selbst gemacht hat, wie er es bei anderen anprangert. Wieder mal bleibt der schale Geschmack einer exzessiven Doppelmoral zurück.

Nachtrag: Auf diese hervorragende Amazon-Rezension zu dem Buch sei noch hingeweisen.

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