46. Künzel und die Hypnose-Skalen

Aus den Seiten des ehem. Showhypnotiseurs Alexander Cain alias Wolfgang Künzel habe ich schon viel haarsträubenden Unsinn lesen „dürfen“, und so bin ich einiges gewohnt; der Blödsinn, der einem dort jedoch zum Thema „Hypnose-Skalen“ geboten wird, schlägt wirklich dem Fass den Boden aus.

In einem Thread in Künzels Forum wurde von einem Mitglied gefragt, welche Hypnose-Skalen andere Mitglieder benutzen, falls sie welche benutzen. Wie auf dem Silber-Tablett servierte der Fragesteller dem „großen Meister“ auch noch den Hinweis, dass es in der Literatur „sehr viel“ zu dem Thema gebe. Das nutzte aber alles nichts; Künzel antwortete dennoch wie folgt:

„Es gibt keine genormten Stadien, da die meisten Mediziner die tiefe und sehr tiefe Trance gar nicht kennen.“

Hieran sieht man mal wieder, wie erschreckend ungebildet der selbsternannte beste Hypnotiseur Deutschlands doch ist. Ganz offenbar fehlt ihm schlechterdings jede Literaturkenntnis (abseits vom Tepperwein und seinem eigenen Buch).

Wer sich wie er zum Gründer der deutschen Hypnoseforschung hochstilisiert, sich als zentrale Figur der Hypnose-Geschichte begreift; wer sich als großer Aufklärer in Szene setzt, der alle anderen belehren und ständig über Ericksonsche Hypnose ablästern muss (obwohl er ganz offensichtlich nicht ein einziges Buch von Erickson gelesen hat); und wer seine Ausbildungsstätte dann auch noch als „Hypnose-Akademie“ bezeichnet, der muss sich zwar vielleicht nicht bestens mit der Hypnoseforschung auskennen, sollte aber doch wenigstens mal eine Grund-Ahnung besitzen!

Aber auch das ist wohl schon zu viel verlangt, denn wie unwissend Braids Reinkarnation von eigenen Gnaden gerade auch bei der klassischen Hypnose ist, konnte ja bereits eindeutig in Artikel 32 gezeigt werden.

Ganz grundsätzlich erst einmal: Die therapeutische Anwendung der Hypnose ist zwar Sache der Medizin und klinischen Psychologie; die Erforschung des Phänomens Hypnose als solchem ist aber Sache der nicht-klinischen Psychologie – also jener Psychologie, die sich mit dem normalen, gesunden Funktionieren der Psyche beschäftigt. Denn Hypnose ist ja keine Krankheit! Es sind also nicht „die Ärzte“, die primär für die Erforschung der „reinen“ Hypnose zuständig sind, wie Künzel das offenbar glaubt, sondern die experimentellen Psychologen.

Und der Grund dafür, dass Künzel offenbar keine einzige Hypnose-Skala kennt, ist nun nicht der, dass es solche nicht gäbe – Hypnose-Skalen gibt es sogar zuhauf. Der Grund ist vielmehr, dass er, Wolfgang Künzel, vom Thema keinen Schimmer hat. Klassisch und bekannt sind beispielsweise die Skala von Davis und Husband (30 Stadien) und die LeCron-Bordeaux-Skala (50 Stadien). Diese älteren Skalen halten jedoch hypnotische Suggestibilität, subjektiv erlebte Tiefe und Entspannung nicht auseinander. Einflussreicher für die Hypnose-Forschung wurden daher später entwickelte Skalen, die Suggestibilität und „erlebte“ Tiefe getrennt messen; oder nur die hypnotische Suggestibilität, oder nur die erlebte „Tiefe“.

Ich werde mich nun anschicken, alle Hypnose-Skalen, die mir gerade spontan einfallen, aufzuzählen, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit – denn sicher werde ich nicht alle dabei haben:

White-Scale, Friedlander-Sarbin-Scale, Stanford Hypnotic Susceptibility Scales (SHSS:A, SHSS:B, SHSS:C), Revised Stanford Profile Scales of Hypnotic Susceptibility (RSPSHS I & II), Stanford Hypnotic Clinical Scale (SHCS), „Diagnostic Rating“ (O’Connell & Orne), Barber Suggestibility Scale (BSS), Carleton University Responsiveness to Suggestion Scale (CURSS), Hypnotic Induction Profile (HIP), Children’s Hypnotic Susceptibility Scale (CHSS), Harvard Group Scale of Hypnotic Susceptibility, Form A (HGSHS:A),  Waterloo-Stanford Group Scale of Hypnotic Susceptibility, Form C (WSGC), Alman Wexler Indirect Hypnotic Susceptibility Scale (AWIHSS), North Carolina Scale, Field’s Inventory of Hypnotic Depth.

(Es gibt noch weitere außer diesen 19 Skalen (LeCron-Bordeaux und Davis-Husband-Skala mitgezählt) , aber da müsste ich jetzt auch nachsehen. Im Nachhinein ist mir übrigens auch noch die ziemlich bekannte „Arons Scale“ mit ihren sechs Stufen eingefallen, womit wir schon bei 20 wären!)

Nicht alle diese Skalen werden heutzutage üblicherweise verwendet; die wichtigsten, die heute gebräuchlich sind, sind die HGSHS:A (ein Gruppen-Test) und die SHSS:C (ein individueller Test). Beide Skalen sind vom Wortlaut her ziemlich klassisch. Die SHSS:C gilt dabei als der „goldene Standard“ und ist entsprechend dem Lickert-Prinzip strukturiert; das heißt, dass die Test-Items zunehmend schwieriger werden (bis auf das letzte Item, die posthypnotische Amnesie). Die 12 Items sind im Einzelnen:

1. Automatisches Senken des ausgestreckten Armes

2. Automatische Bewegung der Hände auseinander

3. Auditiv-haptische Halluzination (Mücke)

4. Gustatorische Halluzination (süß & sauer)

5. Armrigidität (rechts)

6. Hypnotischer Traum

7. Altersregression

8. Schwere und Unbeweglichkeit des Armes (links)

9. Anosmie (Geruchsunempfindlichkeit) für Ammoniak/Pfefferminz

10. Positive auditive Halluzination (Stimme)

11. Negative visuelle Halluzination (für ein Kästchen auf einem Tisch)

12. Posthypnotische Amnesie

Aber das alles kann ja natürlich eigentlich gar nicht sein. Denn die Hypnoseforschung gibt es ja gar nicht. Die wurde ja erst vom Künzel erfunden. Und außerdem wissen „die Ärzte“ ja eh alle gar nicht, dass es „tiefe“ Hypnose gibt, weil das ja eh alles Idioten sind. Die kennen schließlich nur Erickson, und da gibt es ja keine „tiefe Hypnose“ (in Wahrheit hat Erickson oft mit „tiefer Hypnose“ und Phänomenen wie Halluzinationen gearbeitet, wie man wüsste, wenn man wenigstens mal ein Buch von ihm gelesen hätte; z.B. „Hypnotherapie“ von Erickson und Rossi.)

Aber vielleicht werden Sie, geschätzte Leserin, geneigter Leser, mich nun dasselbe fragen, was mich vor einiger Zeit ein Künzel-Jünger auch gefragt hat: Woher soll man wissen, dass ich, Adarion,  hier nicht einfach was vom Pferd erzähle? Wieso sollte man eigentlich mir glauben, und nicht dem „großen“ Alexander Cain, bekannt aus Funk und Fernsehen?

Meine Antwort: Sie brauchen und sollen mir gar nichts glauben! Das will ich überhaupt nicht. Anders als Künzel behaupte ich nämlich nicht einfach nur irgendetwas, sondern kann meine Aussagen auch belegen. Mit minimalem Recherche-Aufwand können Sie sich also Ihr eigenes Bild machen!! Und die Belege gebe ich Ihnen gerne:

Sie können überall recherchieren. Betrachten Sie beispielsweise eine beliebige Ausgabe des „International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis“. Dort werden Sie unweigerlich über die von mir erwähnten Skalen „stolpern“. Oder, wenn Sie lieber ein Buch wollen (wo Hypnose-Skalen auch ausführlich besprochen werden), dann besorgen Sie sich das „Oxford Handbook of Hypnosis“ von Nash und Barnier (Hrsg.).

Aber vielleicht ist Ihnen das zu aufwendig. Dann schauen Sie doch in Bücher wie die von Revenstiorf, Kossak oder Bongartz, gerne auch über Google-Buchsuche.

Und, falls Ihnen auch das zu mühselig ist, gebe ich Ihnen natürlich gerne auch ein paar Links. Zuerst einmal steht vielleicht die Frage im Raum, ob es Hypnose-Skalen, wie von mir beschrieben, überhaupt gibt, oder ob ich sie mir gerade frei ausgedacht habe; und wenn es sie gibt, ob sie wirklich so sind, wie ich das behaupte. Hierfür siehe etwa folgenden Link zu einer Version der SHSS:C auf der Seite von John Kihlstrom.  LINK

Die nächste Frage wäre, ob solche Skalen wirklich in der Hypnose-Forschung gebräuchlich sind. Hierzu darf ich vielleicht einen Übersichtsartikel von Perry und anderen Hypnoseforschern empfehlen: LINK

Aber ich habe auch etwas in Deutsch für die geneigte Leserin und den geknickten Leser, und zwar einen Artikel von Bongartz zur SHSS:C. LINK

Übrigens messen die meisten Therapeuten die Suggestibilität ihrer Patienten nicht mit Skalen, weil das einfach nicht nötig ist. Skalen kommen hauptsächlich in der Forschung zur Anwendung. Künzels Meinung jedoch, dass es keine Skalen gebe, weil „die Ärzte“ ja alle so dumm sind, ist abstrus.

Wem das alles nicht reicht, und wer lieber mit Herrn Künzel glauben will, dass alle Hypnoseforscher Vollidioten sind, die keine Ahnung von irgendetwas haben, und dass erst der große Künzel die Hypnoseforschung überhaupt begründet hat, der mag das gerne weiterhin glauben. Manche Leute glauben auch an das Sandmännchen. So etwas ist erlaubt in einem freien Land.

Für alle anderen darf ich die Situation so zusammenfassen: Wie so oft beim Thema „Hypnose“ hat Cain-Künzel mal wieder nicht die allerleiseste Ahnung, wovon er eigentlich spricht.

Sie werden jetzt vielleicht einwenden, dass meine ganz oben verlinkte Beleg-Stelle, nämlich das Künzel-Zitat, rund zehn Jahre alt ist. Sie werden vielleicht sagen, dass Künzel vor zehn Jahren ein ahnungsloser Dilettant war, der von Hypnoseforschung, Ericksonscher Hypnose und Hypnose allgemein nichts verstanden hat, aber dass das heute alles ganz anders sei und Künzel inzwischen ein ernstzunehmendes Wissen besitze. Schön: Dann sagen Sie mir bitte: Wo? Gibt es auch nur einen einzigen wichtigen konkreten und belegbaren Punkt, in dem Künzel seine Kenntnisse nennenswert erweitert und sein Verständnis vertieft hätte? Mir ist jedenfalls nichts in der Art bekannt.

Künzel beweist in Wahrheit durch seine unqualifizierten Äußerungen doch ständig, dass er auch heute noch genau so unwissend ist wie eh und je. Und das verwundert nicht, denn er ist auch genau so ignorant. Schließlich muss er nichts dazulernen, denn er ist (in seiner Vorstellung) der einzige Wissende in einer Welt der Dilettanten und Idioten. Dabei ist er der größte Dilettant.

Wenn Sie einen Kommentar verfassen wollen, klicken Sie bitte HIER.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.