54. Herr Künzel ist (v)erfahren

Der Ex-Showhypnotiseur Alexander Cain alias Wolfgang Künzel hält sich extrem viel auf seine langjährige Erfahrung zugute, um so seine große Kompetenz zu beweisen.

Daß er dabei offenbar auch gerne übertreibt und es mit der Wahrheit nicht so ganz genau nimmt, wissen wir ja bereits aus Art. 10.

Was aber bleibt, ist, daß Künzel zumindest heute (2012) etwa 20 Jahre professionell mit Hypnose zu tun hat. Da viele Hypnotiseure erst vor wenigen Jahren angefangen hat, kann Künzel so auf eine überdurchscnittlich lange aktive Zeit zurückblicken. Künzel nutzt diese Tatsache dann auch gerne, um sich als besonders kompetent hinzustellen. Oftmals ersetzt der Verweis auf die eigene Erfahrung bei ihm auch eine nachvollziehbare rationale Argumentation. Gleichzeitig stellt Künzel Leute, die zumindest einen Teil ihres Wissens durch andere haben –  z.B.  Fachliteratur -, gerne als Diebe von geistigem Eigentum und Plagiatoren dar, die ohne Nachdenken alles unkritisch übernehmen. So schreibt er beispielsweise:

„Denk‘ mal darüber nach, ob es nicht doch Möglichkeiten geben könnte, die Du noch nicht kennst, ich nach über 30 Jahren Erfahrung jedoch schon…Und ich finde es gut, dass Du, wenn auch wahrscheinlich ironisch, einsiehst, dass man mit über 30 Jahren Praxis eben mehr Erfahrung hat als mit Copy and Paste, bzw. Ab-Guttenbergen oder Ab-Schavanen.“

Nähere Erläuterungen, was für Möglichkeiten das sind, gibt Künzel uns leider nicht. (Aber man beachte, was für witzige und geistreiche Neologismen der Künzel uns dafür doch mal wieder präseniert!)

Stellen wir uns also eine wichtige Frage: Bedeutet der Umstand, daß Künzel einige Erfahrung besitzt, daß er ein kompetenter Hypnotiseur ist? Vielleicht sogar ein extrem kompetenter, der den meisten anderen weit voraus ist?

Zuerst einmal ist es natürlich grundsätzlich eine feine Sache, wenn man auf einem beliebigen Feld viel Erfahrung hat. Gerade die (allgemeine Lebens)erfahrung lehrt uns aber auch, daß Erfahrung nicht immer eine überlegene Kompetenz garantiert. Das fängt schon damit an, daß manche Menschen, die zwar vielleicht erst seit drei Jahren in Deutschland leben, aber sprachbegabt sind und die Sprache systematisch gelernt haben, besser Deutsch sprechen als manche, die seit 30 Jahren hier leben.

Betrachten wir ein anderes, noch deutlicheres Beispiel: Wir alle erleben täglich die Gesetze der Gravitation, der Trägheit, der Zentrifugalkraft, der Aerodynamik, usw. Wir gehen, wir bewegen uns, wir springen, wir spüren den Wind, wir tragen Dinge, wir beobachten einen Ball im Flug usw. Nehmen wir nun beispielsweise einen Eingeborenen aus einem südamerikanischen Indianerstamm, der absolut nie mit Physik in Kontakt kam, aber seit 80 Jahren auf dieser Welt lebt und somit viel praktische Erfahrungen mit Naturgesetzen gesammelt hat, eben indem er gegangen ist, gesprungen ist, im Wind stand usw.  Heißt das nun, daß dieser Mann sich sich besser mit diesen physikalischen Kräften auskennt als z.B. ein junger Physiker oder Ingenieur? Oder kann er die Gesetze von Physik und speziell Aerodynamik besser zum Bau eines Flugzeugs einsetzen als ein junger Luftfahrt-Ingenieur?

Ein weiteres, verwandtes Beispiel: Betrachten wir wieder einen Eingeborenen, der in seinem ganzen langen Leben noch nie etwas von Newton, Einstein, Planck, Gravitation, Elektromagnetismus, Lichtgeschwindigkeit, Gamma-Strahlung, Atomen usf. gehört hat. Nehmen wir an, diese Person würde allein aus einigen Beobachtungen, alltäglichen Erfahrungen  und eigenen selbst ausgedachten Experimenten eine eigene Physik schaffen wollen. So intelligent derjenige auch sein mag, er käme höchstwahrscheinlich nicht weit. Er würde sehr wahrscheinlich nur ganz wenige Erkenntnisse gewinnen und vielen Irrtümern anheimfallen. Seine praktische Erfahrung wäre hier kaum von Nutzen. (Damit soll übrigens keineswegs eine „Überlegenheit“ der westlichen Zivilisation behauptet werden. Es mag viele Dinge geben, wo Naturvölker ein anderes oder auch tieferes Verständnis besitzten.)

Es dürfte klar geworden sein, worauf ich hinaus will: Sehr viel von unserem Wissen und unserem Können beruht auf den Gedanken und Entdeckungen anderer. Unsere ganze Zivilisation wäre völlig undenkbar, wenn wir nicht ständig von anderen lernen würden, wenn wir nicht die Ideen, Erfahrungen und Experimente anderer berücksichtigen würden. Das gilt selbst für „einfachere“ Kulturen: Auch in der Steinzeit musste nicht jeder alle giftigen Beeren und Pilze persönlich essen. Stattdessen wusste man durch die Erfahrungen anderer, was geniesbar ist oder nicht.

Das Wissen, das die Menschen im Lauf der Zeit zusammengetragen haben, ist viel größer als alles, was ein einzelner Mensch durch Selbst-Erfahrung je entdecken könnte. Selbstredend muss man dabei auch nicht blind und geistlos übernehmen, was andere erkannt haben, wie Künzel uns das immer weismachen möchte, sondern kann fremde Entdeckungen oft vor dem Hintergrund seines eigenen Wissens kritisch analysieren und die Argumente des anderen prüfen – abhängig natürlich vom jeweiligen Hintergrundswissen!

Handelt es sich bei der Verwertung fremder Erfahrungen und Ideen um den Diebstahl von geistigen Eigentum, wie Künzel das suggeriert? Natürlich nicht, bzw. nur in Sonderfällen (Stichwort Patentrecht). Im Regelfall ist es das Normalste auf der Welt, daß Ideen weitergegeben und ausgetauscht werden! Wir benutzen Computer, das Internet, die lateinische Schrift usw.

Unanständig wird es natürlich dort, wo man sich mit fremden Federn schmückt, also beispielsweise die Innovationen anderer als eigene originäre Leistungen ausgibt. Ein sehr schönes Beispiel für solch ein anmaßendes und menschlich unkorrektes Verhalten verdanken wir übrigens mal wieder keinem Geringeren als ausgerechnet Wolfgang Künzel: Der gibt hypnoanalytische Standard-Techniken in besonders dreister Weise als seine genuinen Erfindungen aus (Art. 37)!!

Die bisherigen Beispiele zur Erfahrung bezogen sich nicht auf die Hypnose, sondern stellen höchstens Analogien dar. Schauen wir uns jetzt also direkt an, wie es sich speziell bei der Hypnose verhält, um wirklich gültige Antworten zu erhalten: Wie steht es hier mit der Erfahrung?

So gut Erfahrung bei der Hypnose ist, so lassen sich viele Grundlagen doch relativ schnell lernen. Und wer begabt ist, kann relativ schnell ein guter Hypnotiseur werden. Vor allem garantiert Erfahrung aber kein korrektes Wissen über die Hypnose: Die Mesmeristen hatten teilweise sehr viel Erfahrung und dennoch völlig irrige Vorstelungen über die Hypnose. Aber auch viele „klassiche“ Hypnotiseure saßen in wichtigen Fragen grundlegenden Missverständnissen auf: Beispielsweise glaubten viele über lange Zeit, daß Hypnose eine Form von Schlaf sei. Oder beispielsweise nahmen viele Hypnotiseure an, daß spontane Katalepsie (Gliedmaßen bleiben in einer vorgegebenen Stellung „schweben“) ein Kennzeichen hypnotischer Trance sei; das ist aber nicht der Fall.

Die Erfahrungen verschiedener Hypnotiseure waren zudem oft jeweils unterschiedlich, was zu entgegengesetzten theoretischen Auffassungen führte. Der Grund dafür ist, daß die Erwartungen des Hypnotiseurs, die sich in minimalen Hinweisreizen ausdrücken, das Verhalten und Erleben des Hypnotisierten entscheidend beeinflussen können. Dies passiert oft, ohne daß das dem Hypnotiseur oder dem Subjekt bewusst wäre. Der Effekt beruht auf der meist unbewusste Absicht der Hypnotisierten, den unausgesprochenen Wünschen und Erwartungen des Hypnotiseurs zu genügen. (Stichwort „Demand Characteristics„.)

Und so kamen selbst angesehene Wissenschaftler wie Jean-Martin Charcot zu den unsinnigsten Überzeugungen hinsichtlich der Hypnose, und diese unsinnigen Überzeugungen wurden – scheinbar – durch ihre Erfahrung bestätigt.

Es ist nicht die Erfahrung allein, die zu Erkenntnissen führt. Sie ist wichtig, muss aber kritisch reflektiert und genauer untersucht werden. Geschieht das nicht, dann kann es einem wie den Mesmeristen, Charcot und anderen gehen: Die eigene Erfahrung bestätigt die eigenen Missverständnisse, und die eigenen Missverständnisse reproduzieren die irreführende Erfahrung.

Umgekehrt hatten manche Hypnotiseure bereits nach kurzer Erfahrung sehr wichtige Erkenntnisse gesammelt. James Braid beispielsweise kam mit „mesmeristischen“ Phänomenen erstmals am 13. 11. 1841 in Kontakt. Aufgrund seiner Experimente erkannte er sehr schnell, daß nicht eine ominöse magnetische Kraft eines „Magnetiseurs“ für den Erfolg verantwortlich ist, sondern daß solche Phänomene subjektiv im „Magnetisierten“ erzeugt wurden. Diese ganz wesentliche Erkenntnis, aufgrund derer der alte Mesmerismus allmählich durch die neuere Hypnose abgelöst wurde, wurde von Braid in öffentlichen Vorlesungen ab dem 27. 12. 1842 formuliert. Das war also gerade mal ein gutes Jahr, nachdem Braid mit dieser Materie erstmals in Kontakt gekommen war! Bald darauf veröffentliche Braid auch sein erstes Buch zum Thema,“Neurypnology“ genannt. Künzel indes scheint das nicht recht fassen zu können (Art. 1):

“Laut Wikipedia soll Braid 1841 das erste Mal mit dem Hypnotiseur Lafontaine in Kontakt gekommen sein. Ungefähr 1 1/2  Jahre später hätte er das vorgenannte Werk veröffentlicht. Das ist doch etwas ungewöhnlich. Es erinnert mich zwar an viele Schüler, die nach dem Grundseminar Hypnose bei mir eine Hypnoseschule eröffnen und so zum Boom der Hypnoseschulen in Deutschland beitragen (eine Homepage kann heute jeder auf einen Server laden…), jedoch schätze ich Braid aufgrund des Inhalts etwas anders ein. Denn allein die vielen Beispiele aus seiner praktischen Arbeit UND gleichzeitig die völlig andere Technik, also der Fixationsmethode[…], lassen mich sehr zweifeln, ob diese Informationen so richtig sind. Hier ist auf jeden Fall noch Bedarf der Nachprüfung.”

Tja, lieber Herr Künzel, dann prüfen Sie mal nach! Es wird nur bestätigen, was Sie nicht begreifen wollen: Daß manche Leute in einem Jahr mehr neue Erkenntnisse gewonnen haben als Sie in zwanzig! (Der Leser beachte übrigens bitte die gekonnte Beiläufigkeit und Eleganz, mit der Künzel es ganz nebenbei seinen Konkurrenten mal so richtig zeigt!)

Einen ganz entscheidenden Beitrag zur Hypnose leistete auch Hippolyte Bernheim. Durch ihn wurde gewissermaßen die klassische Hypnose erst etabliert. Walter Bongartz schreibt dazu: „Seiner Theorie der Hypnose schlossen sich viele bekannte Psychiater im In- und Ausland an wie Forel, Schrenck-Notzing, Krafft-Ebing, Bechterew, um nur einige zu nennen. Bernheims Auffassung, daß Hypnose ein Zustand erhöhter Suggestibilität sei, der über Suggestionen hervorgerufen würde, wurde die theoretische Basis der sogenannten ‚klassischen Hypnose‘.“

Interessanterweise kam Bernheim zum ersten mal 1882 mit Hypnose in Berührung. Bereits etwa zwei Jahre später, 1884, publizierte er den ersten Teil eines Buches, das unter dem Titel „Die Suggestion und ihre Heilwirkung“ im Deutschen erschien, und wieder zwei Jahre später, 1886, wurde das Buch in seiner Gesamtheit veröffentlicht. Dieses Werk hatte enormen Einfluss, und noch 1946 sollte der kanadisch-amerikanische Hypnotiseur und Psychologe G.H. Estabrooks in seinem Buch „Hypnotism“ sagen, daß es das beste Buch sei, das je zur Hypnose erschien (abgesehen von Clark Hulls sehr „wissenschaftlichem“ Buch „Hypnosis and Suggestion“)!

Für Künzel muss das alles völlig unverständlich bleiben, und wahrscheinlich besteht für ihn auch hier „Nachprüfbedarf“. Erfahrung ist aber, um ein bekanntes Wort zu zitieren, nicht einfach das, was einem widerfährt, sondern das, was man daraus macht! Wie ich bereits im ersten Artikel schrieb: „Der eine macht aus wenig Erfahrung viel, der andere aus viel Erfahrung wenig; Künzel gehört wohl ziemlich eindeutig in die zweite Kategorie.“

Im Übrigen gilt für die Hypnose inzwischen ziemlich genau das, was ich weiter oben für die Physik gesagt habe: Sie ist eine eigene Wissenschaft. Und es ist völlig unmöglich, auf dem Stand der Dinge zu sein, wenn man nur seine eigene Erfahrung berücksichtigt. Es gibt jedes Jahr beispielsweise so viele Forschungen und Experimente, daß es völlig aussischtslos wäre, sie alle persönlich nachzuprüfen. (Ganz abgesehen davon, daß man dann ja erst mal nachlesen müsste, was für Experimente das überhaupt sind.) Auch jeder Physiker und Chemiker kann nur ganz wenige eigene Forschungen anstellen und muss das allermeiste übernehmen. Die Masse an Neuentdeckungen ist viel zu groß. Ohne die Bereitschaft, von anderen zu lernen, gäbe es praktisch keinen wissenschaftlichen Fortschritt. Und so wie in der Physik, wenn auch nicht ganz so extrem, verhält es sich mit der Hypnose!

Betrachten wir nur mal ein paar Fragen: Gibt es bestimmte Charaktertypen, die besonders leicht hypnotisierbar sind? Was ist das Verhältnis von Hypnose und Imaginationsfähigkeit? In welchem Alter genau reagieren Menschen (im Schnitt) am besten auf Hypnose? Wieviele Personen fühlen sich bei einer Hypnose genuin „hypnotisiert“, wieviele nur „absorbiert“? Welche Gehirnprozesse spielen sich bei der Hypnose ab?

Solche und viele andere Fragen wird ein Hypnotiseur allein aus eigener Erfahrung, je nach dem, höchstens ungenau oder überhaupt nicht beantworten können: Genau so wenig, wie die Frage, welche Masse ein Elektron beitzt oder was die elektrische Leitfähigkeit von Neon ist.

Und  genau da liegt bei Künzel der Hase begraben: Er kann hypnotisieren, besitzt aber über die Hypnose so gut wie überhaupt kein Wissen. Er weiß über das Phänomen „Hypnose“ schlichtweg  fast nichts. Die Künzelsche Unwissenheit gilt dabei nicht nur für spezielle „wissenschaftliche“, sondern auch für grundlegende allgemeine Fragen. Künzel ist von seinem ganzen Verständnishorizont her letztlich im 19. Jh. stehen geblieben (Art. 47). Er weiß auch nicht einmal, daß es überhaupt so etwas wie eine klassisch arbeitende Hypnoseforaschung gibt, im Unterschied zur klinischen Hypnose (Art. 2). Er weiß leider aber auch noch nicht einmal, was die klinische Hypnose überhaupt ist (Art. 52)!  Anstatt sich mithilfe der Erkenntnisse anderer Hypnotiseure ein Grundwissen zu erarbeiten, wertet er lieber die Erkenntnisse anderer ab und beruft sich selbstbewusst auf seine eigene Erfahrung.

Dazu eines, mein lieber Herr Künzel: Nehmen wir einmal an, jemand hat noch nie in seinem Leben etwas von Gleich- und Wechselstrom, dem Ohmschen Gesetz, Transformatoren, Kondensatoren, magnetischer Flussdichte, Lorentzkraft, elekrtischem Widerstand, Blindstrom usw. gehört, und er will auch gar nichts davon hören. Er liest kein Buch zur Elektrizität, informiert sich nicht dazu, hört sich keine Vorträge an, tut nichts. Diese Person weiß gerade einmal, daß es „Strom“ gibt, mehr aber auch nicht. Sie benutzt aber im Alltag Strom, wie wir alle, z.B. für Staubsauger oder Fernseher. Und dann  macht derjenige vielleicht noch ein paar laienhafte Experimente zur Elektirzität, die er sich mal eben so ausdenkt, mithilfe von ein paar Kabeln, einer Glühbirne und einer alten Batterie. Und nach ein paar Jahren glaubt er dann, daß  er ein grandioser Elektroinstallateur ist und alles besser weiß als beispielsweise Sie nach Ihrer Ausbildung, weil er ja alles aus seiner eigenen Erfahrung hat und viel länger Strom benutzt hat als Sie zum damaligen Zeitpunkt. Was würden Sie von so jemandem denken?

Ich vermute, Sie würden sagen, daß so jemand nicht ganz richtig im Kopf ist, Herr Künzel. Sie selbst aber sind nicht besser, denn Sie halten es mit der Hypnose nicht anders! Sie haben kaum eine Ahnung, stochern im Dunkeln und Irrtum, aber Sie glauben, sie wüssten alles besser!

Diese Analogie ist gerechtfertigt, denn wie ich in diesem Blog klar bewiesen habe, wiessen Sie trotz Ihrer Erfahrung praktisch so gut wie nichts. Tatsächlich sind Sie aufgrund Ihrer nachweislichen großen Unwissenheit der allerbeste Beweis, daß Erfahrung allein in der Hypnose noch lange nicht zu Kompetenz führen muss!

Gerade weil der Beruf des Elektroinstallateurs eben auch Wissen und Können voraussetzt, eignet er sich als Illustration. Im Unterschied zum Elektroinstallateur kann ein Hypnotiseur ohne größere Ausbildung und mit minimalem theoretischen Wissen durchaus als Anwender erfolgreich sein. Aber ein profundes Wissen über Hypnose wird er so in der Regel meist kaum erwerben, auch nach 20 Jahren nicht!

Nun kann es natürlich grundsätzlich durchaus auch okay sein, wenn man sich auf seine Erfahrung beruft. Problematisch wird es aber dann, wenn man nicht sagen kann, welche Erfahrung das konkret sein sollen, sondern im Allgemeinen bleibt. Dann kann der Zuhörer/Leser nämlich nicht aufgrund von fremden Erfahrungen eigene Schlüsse ziehen, sondern muss dem anderen glauben. Das ist auch das, was ich weiter oben schon gesagt hatte: Von anderen lernen ist normal, aber ohne Argumente einfach alles zu „schlucken“ ist problematisch. (Man muss aber nicht immer selbst jeden Beweis persönlich mitvollziehen können. Selbst wenn man z.B. in der Mathematik das nötige Fachwissen nicht hat, können zumindest andere einen Beweis nachvollziehen, und zumindest prinzipell kann man sich jeder das Wissen erwerben und den Beweis dann überprüfen.)

Was also, wenn jemand sich ohne konkretes Argument nur allgemein auf seine Erfahrung beruft? Nun, wenn irgendwo (fast) alle Leute mit Erfahrung dieselben Ansichten vertreten, mag das noch halbwegs angehen. Wenn aber auch erfahrene Leute jeweils ganz unterschiedliche Meinungen vertreten, dann wird die autoritäre Berufung auf die Erfahrung völlig unbefriedigend. Und genau das, lieber Herr Künzel, ist bei der Hypnose der Fall! Leute, die teilweise mehr Erfahrung haben als Sie, vertreten oft ganz andere Auffassungen als Sie! Wem soll man da glauben? Ihnen? Aber warum, mit welchem Grund? Eine rationale Rechtfertigung ist hier erst mal nicht erkennbar!

Eine Berufung auf die vermeintliche eigene Kompetenz (oder die vermeintlche Kompetenz eines Dritten) wird mitunter als „argumentum ab auctoritate“, als „Argument aus der Autorität“ bezeichnet, und wenn die Berufung ungedeckt ist, stellt sie einen logischen Fehlschluss dar.

Sie, lieber Herr Künzel, berufen sich dennoch immer wieder in so einer unberechtigten Weise allein auf Ihre erfahrungsbedingte „Autorität“: Die anderen sollen Ihnen, der Sie so ein großer Meister sind, einfach unkritisch glauben. Schließlich wissen Sie alles besser. Betrachten wir ein konkretes Beispiel:

Sie wurden in einem Thread von „flaschendeckel“ darauf angesprochen, daß Ihre Beweise für Hypnose-Verbrechen problematisch sind. Das sind sie auch. Denn man kann Hypnotisierte zwar durchaus leicht zu (vermeintlichen) Verbrechen anstiften. Wenn man das aber mit „Wachen“ auf dieselbe Weise macht, dann gehorchen sie genau so, wie Hypnoseforscher wie z.B. Orne und Evans, Calverley und Barber und andere gezeigt haben. Bei solchen Versuchen sind die Probanden sich der experimentellen Natur des Verbrechens sehr bewusst. Auch das Argument, daß man Hypnotisierte suggestiv täuschen kann ist problematisch: Hypnotisierte können die Realität weiterhin zumindest unbewusst erkennen und diese Erkenntnisse in komplexe Überlegungen mit einbeziehen, die ihr Verhalten entscheidend beeinflussen. Untersuchungen sprechen dafür, daß Hypnotisierte mit und ohne Halluzinationen Schein-Verbrechen ausführen, und Wache ebenso.

Damit will ich gar nichts zu der komplexen Frage der Hypnose-Verbrechen selbst sagen. Klar ist aber, daß „Ihre“ Beweise nicht nur sehr alt und natürlich der Hypnoseforschung bestens vertraut sind, sondern auch methodisch ungenügend (siehe auch Artikel Hypnose-Verbrechen).

Sinngemäß wurd in einem Thread von „flaschendeckel“ ähnlich argumentiert. Er schreibt u.a:

„…mittlerweile weiß ich, dass das ganze nicht so leicht ist, genauer gesagt ziemlich sicher so nicht funktioniert, und dass der „beweis“ den alex mal vor laufender kammera gezeigt hat eben nicht gültig ist…“

Sie, Herr Künzel, waren offenbar völlig unfähig zu einer sachlichen Antwort. Anstatt konkret und argumentativ auf die Einwände des Mitglieds einzugehen, beteuerten Sie mal wieder, was für ein geiler großer Meister Sie doch sind, und daß Sie alles besser wissen als all die anderen, die ja so unwissend sind. Sie beteuerte zudem, Sie könnten „es“ beweisen, sagten aber nicht wie. Ihre Pseudo-Argumentation gipfelt in diesem Statement:

„ICH rede hier aus 30 Jahren Erfahrung mit tausenden Hypnotisanden. Was hast Du zu bieten?“

Anders gesagt: Sie, mein lieber HerrKünzel können kein einziges Argument nennen, und auch aus Ihrer Erfahrung können Sie kein Argument ableiten, verlangen aber, daß man Ihnen blind glaubt, weil Sie doch so erfahren sind! Hier wird Erfahrung als Blankoscheck für universelle Rechthaberei missbraucht!

flaschendeckel versuchte es erneut mit Sachlichkeit. Er legte noch einmal dar, wieso er Ihre Argumente für ungültig hält und bat Sie, auf diese Einwände einzugehen. Er apellierte an Sie, Herr Künzel:

„…dann bitte ich dich mich zu überzeugen, meine einzige intention ist es, zu lernen….das ist ungefähr mein momentaner wissensstand, ich fänds spannend, wenn du etwas dagegen sagen könntest…“

Nun kam von Herr Künzel aber nichts mehr. Nie hat er geantwortet, im ganzen Thread nicht! Offenbar wusste er nicht, was er antworten sollte! (Frau Frauenberger scheint eh nicht zu kapieren, worum es geht, wie sie im Thread beweist. flaschendeckel hatte nicht gesagt, daß Künzels These mit den Verbrechen durch Hypnose falsch ist, sondern nur Künzels Beweise für diese These hinterfragt. Wäre ich Künzel oder Frauenberger, dann würde ich jetzt hierzu was von Leuten schreiben, die nicht einmal zum Lesen fähig sind. Aber ich bin ja weder Künzel noch Frauenberger – Gott sei’s gedankt.)

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn man etwas von anderen übernimmt, spricht Künzel von „Ab-Guttenbergern“ und „Ab-Schavanen“. Das tut er sogar in übertriebener Weise, denn es gibt auch einen reflektierten und begründeten Erwerb von Wissen durch andere. Künzel aber lässt nur die eigene Erfahrung gelten: „Wahrheit ist das, was man selbst WAHRNEHMEN kann. Alles andere ist maximal Glaube und der Mensch ist unglaublich leichtgläubig.“ (Art. 18)

Und dann das: Man soll Künzel einfach blind glauben, was er sagt, sogar ohne den Schwanz eines Argumentes!  DAS ist dann wohl nicht lechtgläubig, oder wie??

Autoritärer geht’s kaum noch! Was Künzel hier verlangt, ist nicht weniger als die intellektuelle Unterwerfung unter seine „Autorität“! Künzels Wahrheits-Definition ist dann wohl so zu lesen: „Wahrheit ist das, was Künzel sagt.“ Merkt Künzel eigentlich überhaupt, wie sehr er sich selbst widerspricht? Aber das kennen wir ja auch schon alles zur Genüge (z.B. Art. 30).

Es dürfte, denke ich, jedenfalls klar sein, wieso Künzel sich so viel auf seine Erfahrung zugutehält: Er hat kaum irgendwelche Ressourcen, die er ansonsten noch in die Waagschale werfen könnte. Sein Wissen über Hypnose ist extrem gering und angefüllt mit Missverständnissen. Argumente hat er praktisch keine. Glaubt jemand mal Künzel nicht einfach blind, sondern fragt ihn nach Gründen, dann weiß Künzel nicht weiter und wird persönlich oder löscht die entsprechenden Beiträge (Art. 52) – oder beruft sich eben ganz allgemein auf seine Erfahrung!

Das einzige „Kapital“, das Künzl also noch zur Verfügung steht, ist seine Erfahrung. Deswegen missbraucht er diese als „Autoritäts-Argument“, wann immer er sachlich nicht mehr weiter weiß. Es ist die einzige, verzweifelte Karte, die er spielen kann, wenn er nicht vollständig unsachlich werden möchte und Kritiker z.B. einfach „wegzesniert“ (Art. 53).

Seine „bessere“ Hälfte versucht übrigens auch gleich auf den Zug mit der Erfahrung aufzuspringen:

„Wolfgang und ich waren Jahrelang hauptberuflich unterwegs auf Firmen, Messen Galas, Diskotheken usw. und glaube mir, Du erzählst uns nicht was mit Hypnose möglich ist und was nicht, denn das haben wir in den vielen Jahren schon selbst heraus gefunden…Diese Leute die so etwas machen waren noch nie auf der Bühne gestanden und haben hypnotisiert.“

Ach Gottchen, Frau Frauenberger! SIE sind doch nicht auf der Bühne gestanden, sondern nur Ihr Mann. Und daneben zu stehen und nur zuschauen ist für Sie doch wohl keine echte Praxis-Erfahrung? Sie und Ihr Mann sind doch das beste Beispiel dafür, daß man trotz langähriger Praxis so gut wie NICHTS von Hypnose wissen kann. Das sage ich bei allem Respekt vor anderen Showhypnotiseuren wie z.B. Dave Elman, Ormond McGill oder Gil Boyne. Die hatten teilweise viel mehr Hypnose-Erfahrung als Sie oder Ihr Göttergatte, verstanden wirklich was von Hypnose und hatten in wichtigen Punkten ganz andere (und weit adäquatere) Meinungen!

Um es noch einmal klarzustellen: Erfahrung ist eine feine Sache, auch in der Hypnose. Allerdings muss man sie auch nutzen können. Und nicht jeder, der wenig Erfahrung hat, muss inkompetent sein, wie die Beispiele von Braid und Bernheim uns zeigen; umgekehrt können Leute mit jahrzehntelanger Erfahrung dennoch extrem unwissed sein, wie Künzel uns beweist.

Das Traurige ist also, daß Künzel aus seiner langen Erfahrung praktisch nichts gelernt hat. Ihm fehlt offenbar einfach das notwendige Grundwissen, um seine Erfahrung sinnvoll zur Ausbildung eines angemessenen Hypnose-Verständnisses nutzen zu können. Und so wird Künzels Erfahrung zum Boumerang: Sie verbürgt nicht eine beschworene Kompetenz, die es tatsächlich gar nicht gibt, sondern sie zeigt, wie erschreckend wenig er nach all den Jahren weiß!

Wie alle anderen Artikel wird Künzel diesen natürlich eifrig lesen. Und natürlich wird er inhaltlich nichts entgegen zu setzen haben – wie immer eben. Dennoch wird er sich weiter auf seine „Erfahrung“ berufen, um eine Kompetenz vorzuspiegeln, die er nicht besitzt, und um ein Totschlagargument zu haben, wenn er mit echten Argumenten mal wieder nicht weiterkommt. Woher ich das weiß? Weil es Künzels einziger (vermeintlicher) Trumpf ist, und weil Künzel so berechenbar ist wie die Mathe-Hausaufgaben eines Erstklässlers in der Grundschule.

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